Vor drei Wochen fing Barbara/barbarabee eine donnerstägliche Reihe an, in der sie großartige Frauen in Wort und Bild vorstellen will. Und sie forderte dazu auf, sich ihr anzuschließen... Ich habe mich immer geärgert, dass sie, wenn vom Dadaismus die Rede war, jener provokativen & befruchtenden künstlerischen Bewegung, die in Berlin unmittelbar nach dem Ende des 1. Weltkrieges mit großem Getöse einschlug, immer im Schatten der männlichen Protagonisten, allen voran ihr Geliebter Raoul Hausmann, stand: Hannah Höch. Dabei verdanken wir ihr einen ganz eigenständigen Beitrag zur Kunst des 20. Jahrhunderts, dem der Fotocollage. Ihr "Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands" gilt heute als eine der Inkunabeln des Mediums: Küchenmesser Dada durch die letzte Weimarer Bierbauch-Kulturepoche Deutschlands (1919) Anna Therese Johanne Höch wird am 1. November 1989 in Gotha in eine wohlsituierte bürgerliche Familie hineingeboren. 1912 geht sie nach Berlin, um an der Kunstgewerbeschule zu studieren, eine der wenigen Möglichkeiten für eine Frau der damaligen Zeit. Bei Kriegsbeginn wird die Schule geschlossen und erst 1915 kann Hannah Höch ihre Ausbildung an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums bei Emil Orlik fortsetzen. Im gleichen Jahr lernt sie Raoul Hausmann kennen, und eine anregende, tiefe Liebe beginnt, die aber wegen der Unentschiedenheit Hausmanns ( der verheiratet ist ) auch schwierig ist. Hannah Höch arbeitet während des Studiums auch als Entwurfszeichnerin für die Handarbeitsredaktion des Ullsteinverlages, entwirft Vorlagen für Spitzenmuster, Stickereien und Druckstoffe und schreibt Texte für die Zeitschriften "Die Dame" & "Die praktische Berlinerin". Sie hat dadurch Zugang zu vielen Publikationen des Verlages, die sie als Motivquelle für ihre Collagen nutzen kann. Eine erste Collage fertigt sie 1916 aus Abdeckschablonen für Holzschnitte, die sie gegen Bezahlung für Orlik anfertigt. Die Dada - Bewegung beginnt sich in Berlin zu formieren. Noch vor Kriegsende 1918 endet die erste Dada - Soirée allerdings mit einem Éclat. Hannah Höch war wegen einer persönlichen Krise nicht beteiligt, stellt aber bei der ersten Schau des Berliner Club Dada 1919 eigene Arbeiten aus. Ihre bekannten Dada - Puppen sind erst bei der "Ersten internationalen Dada - Messe" 1920 zu sehen, wo auch die ganz oben gezeigte Collage ausgestellt wurde. 1921 lernt sie Kurt Schwitters kennen, mit dem sie eine lebenslange Freundschaft pflegt. 1922 geht die Beziehung zu Hausmann in die Brüche. Sie arbeitet an ihrer Collage "Meine Haussprüche": Source In den folgenden produktiven Jahren lernt Hannah Höch viele andere Künstler kennen wie das Ehepaar Arp, den Fotografen Moholy - Nagy, Piet Mondrian oder Theo van Doesburg. Bei einem Hollandaufenthalt 1926 trifft sieauf ihre künftige Lebensgefährtin Til Brugman und zieht am Ende des Jahres zu ihr nach Den Haag, nachdem sie bei Ullstein gekündigt & ihr Atelier vermietet hat. Erst 1929 kehren die Beiden nach Berlin zurück. "Mutter" (1925/26) In Berlin nimmt Hannah Höch wieder Kontakt zu Mitgliedern der Dada - Bewegung auf, beteiligt sich an Ausstellungen wie der gegen den § 218 & äußert sich zu Fragen der Zensur. Repressalien gegen sie von Seiten der Nationalsozialisten nehmen zu und sie wird als "Kulturbolschewistin" diskreditiert. Ausstellungen sind für sie ab 1933 nur noch im Ausland möglich. "Dompteuse" (1930/64 ) Source 1935 lernt sie den 25jährigen Kurt Heinz Matthies kennen & die Beziehung zu Til Brugman geht zu Ende. 1938 heiratet Hannah Höch Matthies und die beiden bereisen mit dem Wohnwagen Deutschland. Doch auch diese Beziehung ist durch diverse Erkrankungen beider Partner immer wieder belastet. Die politische Entwicklung im Land beginnt Höch zudem immer mehr zu ängstigen und lässt sie ihre Kontakte einfrieren. 1939 erwirbt sie ein ehemaliges Flugwärterhäuschen in Berlin - Heiligensee als Refugium. Dort im Garten vergräbt sie die in ihrem Besitz befindlichen Werke der Dada - Freunde und Dokumente aus der Vergangenheit. Mit ihrem Mann ist sie auch während der ersten Kriegsjahre weiterhin in Europa unterwegs, bis dieser sie 1942 verlässt. Von da an verbringt Hannah Höch die Zeit abgeschieden und isoliert in ihrem Häuschen und hofft, " dass es vorüber gehen möge." Bei Kriegsende notiert sie in ihrem Tagebuch: "Eine 12jährige Leidenszeit, die von einer wahnsinnigen u. unmenschlichen ja viehischen Klike uns aufgezwungen war, mit allen Mitteln des Geistes, mit allen Mitteln des vor keinem Verbrechen zurückschreckenden Barbarentums - ist zu Ende. In meiner Seele ist eine Ruhe wie ich sie seit vielen Jahren nicht gefühlt habe." Das Höchsche Refugium in Heiligensee ist heutzutage zu besichtigen, und ich empfehle den Besuch jedem kunstbegeisterten Berlin - Besucher, nachdem er/sie in der Berlinischen Galerie die Werke der Künstlerin betrachtet hat ( wenn diese denn wieder geöffnet ist ). Das Haus und besonders der Garten machen eine weitere Facette des künstlerischen Schaffen der Hannah Höch klar, der des Sammelns. Und dieses Sammeln bezog sich nicht nur auf Bilder oder Bildmaterial, sondern auch auf Pflanzen. Diese Pflanzen waren Teil ihrer "Gartenmontage": ( Die Fotos sind bei einem Besuch im Hannah - Höch - Haus entstanden. Als meinen Kultur - Tipp verlinke ich diesen Post mit Tanja Praske. ) Nach und nach erobert sich Hannah Höch den Platz in der Berliner Kunstwelt zurück, der ihr gebührt. Sie nimmt wieder die Verbindungen zu alten Freunden auf und stellt wieder aus. 1948 gibt es sogar drei Fotomontagen von ihr im Museum of Modern Art in New York zu sehen. In dieser Zeit ist auch diese Collage entstanden: Zu ihrem 65. Geburtstag 1954 erhält sie von der Stadt Berlin ein Ehrenruhegeld, was ihre prekäre materielle Lage sehr entspannt. Auf zahlreichen Ausstellungen werden ihre Arbeiten wieder gezeigt und zur großen Dada - Retrospektive 1958 in Düsseldorf reist sie an und trifft dort alte Weggefährten wie Man Ray & Hans Richter: HH ganz links mit Bubikopf, daneben Richter, ganz rechts Man Ray In den Folgejahren ist sie sehr produktiv, an vielen Ausstellungen beteiligt und erhält einige Ehrungen, so zu ihrem 80. Geburtstag in der Akademie der Künste in Berlin. Doch ihre Sehkraft lässt nach. 1972 beginnt sie mit der Arbeit an der Großcollage "Lebensbild": 1972/73 Source Weitere Ausstellungen & Ehrungen folgen: So wird sie z.B. zum Professor ehrenhalber in Berlin ernannt. Am 31. Mai 1978 stirbt Hannah Höch 88jährig. Sie ist auf dem Friedhof in Heiligensee begraben. Eine meiner Lieblingscollagen ist "Der Strauß", an der sie von 1929 bis 1965 gearbeitet hat: Wer noch mehr über die Künstlerin erfahren möchte, der sei an den virtuellen Büchertisch verwiesen.